Unterschwellig und schleichend
Es passiert unterschwellig und schleichend und ist ein Phänomen unserer Zeit: Immer mehr Menschen leben ihre Launen aus, reagieren schnell aggressiv und meckern ihr Gegenüber schon bei Kleinigkeiten an. Es ist besorgniserregend, zu sehen, wie diese Zeitgenossen immer mehr werden. Wie ein Virus infizieren sie ihr Umfeld, werden von anderen gar zum Vorbild erkoren, die es ihnen schließlich gleich tun. Das vormals gute Betriebsklima entwickelt sich so unterschwellig und schleichend zum Schlechten.
Sicherlich gibt es gute Gründe, die einen veranlassen, aus der Haut zu fahren. Es ist durchaus entlastend, wenn man mal so richtig vom Leder ziehen kann. Das kann sehr befreiend sein, aber eben nicht nur. Wenn wir richtig sauer sind und uns im Beisein von Unbeteiligten ausleben, wirkt sich das unmittelbar aus.
Ansteckend schlecht gelaunt:
Der Querulant und die Stänker-Liesel
Zwei Stellvertreter, die in fast allen Unternehmen anzutreffen sind, sind der Querulant und die Stänker-Liesel. Sie stecken mit ihrer schlechten Laune und ihrem Missmut permanent ihre Kolleginnen und Kollegen an. Niemand lässt es unberührt, wenn ihre Flüche durchs Zimmer schallen. Untersuchungen zeigen, dass ein Miesepeter bis zu 10 Personen des unmittelbaren und mittelbaren Umfeldes negativ beeinflusst. Bei einer Abteilung von 20 Mitgliedern reichen also zwei Treiber aus, um das gesamte Team nach unten zu ziehen.
Drei typische Reaktion der unbeteiligten Kolleginnen und Kollegen
Die Kolleginnen und Kollegen haben keine Chance, sich den üblen Launen zu entziehen. Jeder versucht auf seine Art damit umzugehen. Drei typische Reaktionen sind zu beobachten.
1. Überhören und verhärten
Was zunächst als guter Schutz wirkt, ist auf Dauer schädlich. Nur ganz wenigen Menschen gelingt es, ihre Ohren auf Durchzug zu stellen. Meist bleibt emotional in ihnen doch etwas hängen.
Die meisten starten damit, die schlechte Laune zu ignorieren nach dem Motto: „Der kriegt sich schon wieder ein.“ Dadurch erfährt der Querulant in seinem Wirken keine Einschränkungen. Er spürt weder Resonanz noch Gegenwind. Also macht er genauso weiter – motzt regelmäßig vor sich hin. Ob seine Gefühlsausbrüche ihm tatsächlich eine Entlastung bieten, sei dahingestellt.
Den Zimmergenossen geht es aber nach und nach immer mehr auf den Geist. Sie hören unweigerlich zu, wollen bewusst überhören, was ihnen aber nicht gelingt. Sie setzen sich mit dem Gesagten auseinander und wägen die Inhalte ab. Unser Gehirn bewertet immer alles und will seine gewonnenen Eindrücke einordnen. Es kann gar nicht anders. So tragen die Unbeteiligten immer mehr Informations- und Emotionsmüll von anderen mit sich herum. Da sie nicht adäquat damit umgehen, stumpfen sie ab und verhärten.
2. Zuhören und mitmischen
Es ist allzu natürlich, auf das Gehörte einzugehen. Irgendein Körnchen Wahrheit findet sich immer in den Gefühlsausbrüchen – das kann der offensichtliche Fehler eines Kunden sein, die arrogante Art der Kollegin oder die unfaire Reaktion des Chefs. Nicht umsonst regt sich die Stänker-Liesel so darüber auf. Ihre kommunikative Art macht es dem Umfeld leicht, dem Ärgernis zuzustimmen. Gleichzeitig erleben alle ein Gefühl von Gemeinschaft, wenn sie sich zusammen aufregen.
Es ist schon verrückt: In manchen Teams ist das Lästern, Aufregen und Stänkern das Einzige, das noch ein Zusammengehörigkeitsgefühl auslöst. Wie eine Daily-Soap wird alles Schlechte immer sofort besprochen und intensiv ausgewertet. Man hat ein gemeinsames Thema, bei dem jeder mitreden und eigene „schreckliche“ Erlebnisse zum Besten geben kann.
Den Beteiligten ist das eigene Verhalten gar nicht bewusst. Ihre pessimistische Grundhaltung entwickelt sich sehr unterschwellig und langsam. Oft lassen sich Ursache und Wirkung nicht mehr ausmachen. Für die Psyche sind die stets negativen Themen äußerst schädlich.
3. Wahrnehmen und trennen
Nur wenige Kolleginnen und Kollegen erkennen diese Dynamiken. Sie haben eine gesunde Sensibilität, die in einer guten Sozialhygiene mündet. Während die einen lautlos vor sich hin leiden und die anderen engagiert mitmischen, treffen sie den Entschluss, sich dieser Situation zu entziehen. Sie bitten um räumliche Trennung oder arbeitsbezogene Versetzung.
Nicht immer erfahren wir als Vorgesetzte den wahren Grund für diese Bitten. Der Querulant oder die Stänker-Liesel werden benannt, denn man möchte ja keine Petze sein. Somit machen diese Mitarbeitenden lediglich Andeutungen und geben fadenscheinige sachliche Gründe für ihre Bitten an. Das klingt meist nicht überzeugend und das Anliegen wird abgelehnt. Am Grundübel ändert sich nichts.
Je nach Ausprägung der schlechten Stimmung im Team wird deshalb gekündigt und das leistungsfähige, engagierte Teammitglied verlässt das Unternehmen. Leider werden uns frühestens jetzt die wahren Gründe für die Unzufriedenheit im Job und schließlich Kündigung vorgetragen.
Als Führungskraft unbedingt entgegenwirken
Als Führungskraft prägen wir das Team. Es liegt an uns, was wir stillschweigend erlauben und welche Verhaltensweisen wir ansprechen. Wenn Sie während einer Dienstberatung oder Auftragsbesprechung Zynismus, Scherze auf Kosten von Mitarbeitenden oder ausfallende Bemerkungen durchgehen lassen, prägen Sie mittelbar den Umgangston im Team.
Die Mitarbeitenden nehmen sehr genau wahr, welche ungeschriebenen Gesetze im Unternehmen herrschen. Was darf man – was darf man nicht? Wann hat man die Lacher auf seiner Seite? Ist man damit der tolle Hecht? Womit kann man sogar beim Chef punkten?
Wenn Vorgesetzte bei diesem schlechten Stil nicht eingreifen, dann wagen nach und nach weitere Teammitglieder ebenfalls mit dem guten Umgangston zu brechen. Zunächst beginnt ein vorsichtiges Rantasten. Wie reagiert das Umfeld? Wie steht man im Vergleich zum Querulanten und der Stänker-Liesel dar? Darf man sich jetzt genauso verhalten? Ist dieses neue Verhalten bei einem selbst vielleicht schon überfällig? Was sagen die Kolleginnen und Kollegen über die neue Art?
Bleibt der Einspruch vom Vorgesetzten aus, nimmt die Abwärtsspirale ihren Lauf.
Führung oder Erziehung?
Im Coaching fragen mich Führungskräfte an dieser Stelle immer: „Ist das nicht wie Erziehen von Kleinkindern?“ Meine Antwort lautet: „Das sind klassische Führungsaufgaben: den Stil des Unternehmens vorgeben, Regeln und Verhaltensweisen einfordern und Abweichungen ansprechen. Eltern prägen das Zusammenleben in der Familie. Führungskräfte hoffen auf eine gute Kinderstube. Wenn diese verloren geht, braucht es Nachhilfe.“
Gehen Sie mit Wohlwollen und Fingerspitzengefühl vor – nicht von oben herab. Diese Tendenzen sind zum einen ein Phänomen der Zeit, zum anderen ein schleichender Prozess. Holen Sie unschöne Verhaltensweisen aus der Tabuzone heraus. Machen Sie deutlich, welchen Umgangston und welches Miteinander Sie sich im Team wünschen. Werden Sie nicht müde, Ihre Version von Zusammenarbeit und Kollegialität zu beschreiben.
Sorgen Sie für eine positive Arbeitsatmosphäre – schließlich sind wir die meiste Zeit am Tag mit unseren Kolleginnen und Kollegen zusammen.
Ein gutes Betriebsklima wünscht Ihnen
Silke Heuwerth
Stellhebel, auf die es ankommt:
- Guten Umgangston vorleben und einfordern.
- Abweichungen ansprechen – unter vier Augen.
- Gelebte Kollegialität immer wieder loben.
- Ihr Lob wirkt doppelt, wenn es vor anderen ausgesprochen wird.
Hilfe für Ihre persönliche Situation?
Gerne! Im BOXENSTOPP klären wir Ihre dringlichsten Fragen. Beim QUALIFYING und FEINTUNING arbeiten wir intensiv an den komplexeren Anforderungen aus Ihrem Führungsalltag.
Starten Sie mit einem unverbindlichen Telefongespräch.